Ich hätte es mir gleich denken können: der Sommer kommt ja wieder. Zu spät für die Flucht nach drüben. Obwohl—bei uns in Arizona geht der Sommer eigentlich nie ganz weg, auch nicht im Winter. Deswegen kommen dann die Snow Birds aus Iowa, Minnesota und Nebraska. Aber leider ist ihr alter Schnee dann unterwegs schon geschmolzen. Von Rodeln keine Spur, denn in Arizona brodelt der Asphalt.
Jetzt im Juli ist es grad so schön warm, dass du dir auf der Kühlerhaube (welch eine Fehlbenennung) ein Spiegelei braten könntest. Hundert Grad (37 C) sind da nichts, das haben wir mehr als fünf Monate lang. „It’s a dry heat“, eine trockene Hitze, scherzen wir Arizonier dann mit unseren Touristen. Obwohl, wenn das Thermometer auf knusprige 115 (46 C) klettert, dann sind wir gespannt, ob es keinen Knacks kriegt.
Mir bleibt die Luft weg, wenn ich aus dem gekühlten Haus in die kochende Garage geh. Die Spucke ist mir schon längst vertrocknet. Wenigstens habe ich Ofenhandschuhe für die Autotürgriffe dabei, weil die auch schon glühen. So, erst lass ich mal 10 Minuten den Motor und die Kühlung laufen, damit ich das Steuer anfassen kann. Es ist kein Scherz, schon viele Babys und Haustiere sind in solchen Folteröfen gestorben. Und nur Vollidioten bestellen sich in Arizona eine schwarze Innenausstattung fürs Auto. So meschugge bin ich noch nicht. Bloß nichts drin liegen lassen, was schmelzen oder explodieren könnte.
Aber was kannst’ machen? Bei so einem Sauwetter jagt man keinen Hund mehr auf die Straße. Hab ich Fieber? Da lebt man wie im Dämmerzustand und Unfähigkeit zu irgendwas so vor sich hin, wie unter eine Glasglocke. Klimakühlung im Haus, im Auto, im Mall, von der Natur keine Spur, lieber nicht, die ist grausam heiß.
Mein Garten ist schon arg vertrocknet trotz Sprinkleranlage. Die Tomaten sind Dörrobst. Sogar den Kakteen wird es zu heiß. Erst als ich die Schattensegel über den Kaktusfeldern im Botanischen Garten wahrnehme, verstehe ich, warum meine Aloepflanze so traurig aussieht. Da brennt es direkt runter auf den Steingarten, gegrillte Aloe also.
Sogar zum Baden ist es zu warm. Im öffentlichen Pool schwimmt man herum wie ein Wienerwürstel in der Erbsensuppe—und das Wasser sieht auch so aus. Nein, danke. Auf dem Salt River kann man sich in einem Autoreifen treiben lassen, nicht schlecht. Aber am besten mit T-Shirt und Trainingshose bedeckt, sonst gibt’s rote Garnelen zum Abendbrot. Solardach haben wir zwar, aber die Zellen kommen mit dem Strom für die Kühlung nicht mehr nach. Kann man nur hoffen, dass das bisschen extra Schatten unter den Platten die Sonne etwas bremst. Auch dem „Sonnendach“ wird die Hitze zu viel.
Kurz gesagt, Arizona ist ein Winterparadies. Im Sommer gibt es genau drei verschiedene Temperaturen: „hot“, „hotter“, und „bloody hot.“ Arizona ist der einzige Staat, der keine Sommerzeit hat. Wieso? Weil wir ignorieren den Sommer ganz einfach. Deswegen kriegt er auch keine besondere Zeit. Ganz im Gegenteil sind wir froh, wenn die Sonne abends schnellstens wieder abhaut. Wir haben angeblich auch einen „Monsoon“, aber alles was dabei herauskommt sind Blitze und Staubstürme.
Trotzdem hat Arizona ganz herrliche Regenbögen—einmalig auf der Welt, weil ganz ohne Regen. Ich glaube wir machen die mit Panavision, oder so ähnlich wie ein Feuerwerk.
Na gut, am Wetter kann ich nichts ändern—aber meine Einstellung schon. Jetzt habe ich folgendes probiert: ich habe mein chinesisches Schneesturmposter anmeditiert und mir vorgestellt, es ist Winter. Und es hat funktioniert. Es war wie Weihnachten. So habe ich nichtsdestotrotz gleich Schmalznudeln und Plätzchen gebacken. Ignorieren ist das Beste, was man tun kann, wenn an der Lage nichts zu ändern ist. Aber manchmal wird’s mir trotzdem ganz “Chihuly.”


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