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Das Reutberger Dunkel findet man an den ungewöhnlichsten Orten

Der Berg ruft, heißt es unter den Alpinisten. Aber das Matterhorn juckt mich nicht. Auch nicht der „heilige Berg“ von Andechs. Mein heiliger Berg steht nämlich ganz woanders. Und da gibt es noch ein himmlischeres Gesöff.

Wenn man noch nie in Arizona war, kann man sich gar nicht vorstellen, wie heiß und staubig hier alles ist! Natürlich sind wir im Sommer oft in Bayern und genießen da die herzhaften Leckereien.

In Amerika ist der Kaffee schon vieles besser geworden, seitdem es Starbucks gibt. Beim Brot muss man viel Glück haben. Leider hat mein Lieblingsbäcker, der Breadsmith, zugemacht, aber zur Heidelberg Bakery in Phoenix sind es ja nur 50 Kilometer. Und beim Käse—Importe sind meist so teuer wie Gold—hat Trader Joe (ein Aldi-Zweig) auch ein paar gute Sorten im Angebot.

Natürlich ist für eine(n) Bayer(i)n in Arizona das Leben längst nicht perfekt. Eine Schmerzenszulage für die Wüste wäre nicht schlecht. Aber man arrangiert sich mit allen Mängeln. Fast wäre mein Leben kürzlich ganz perfekt geworden.

Reutberg

Kloster Reutberg von Michael Gollers Schreibtisch aus

Gehe ich da mit einer Freundin, eine neue Bekanntschaft, nichtsahnend in unser besseres Bistro „De Vine“. Das war im März, und wir haben uns gleich bequem auf die Terrasse gesetzt. Wein? Bier? Natürlich Bier. „Kennst du schon unser ausgezeichnetes Dunkel“?, fragte die Bedienung. Sie sagte eigentlich „Dankel“.

Ja, bitte, dann her damit! Und was bringt mir dieser freundliche Engel? Ein Reutberger! Und das in Gehweite von unserem Haus! Ich denk, mich trifft der Schlag. Da habe ich gleich noch eines getrunken. Und die Flasche mit heim genommen. (Das war gut so, wie sich später herausstellte.) Mein freundlicher Ehemann hat mich dann noch obendrein mit ein paar Fläschchen überrascht, pro Stück um die 10 Dollar.

Wie groß kann meine Enttäuschung sein? Das nächste Mal gehe ich zu De Vine, und sie haben mein „Dankel“ nicht. Die Bedienung ist überfreundlich und will mir allen möglichen anderen Stoff verkaufen, aber sie weiß gar nicht, mit wem sie es hier eigentlich zu tun hat.

Mein Großvater war ein Pferdenarr

Mein Großvater war ein Pferdenarr

Schon mein Großvater hat nämlich mit Reutberger Bier gehandelt. Sein Bierdepot war im Waschhaus neben dem Hof. Dankel, Hell oder Weiß. Verdient hat der damit kaum etwas, aber das Handeln war ihm wichtig. Jeden Dienstag kamen die Hofmänner (Hofmann, Vater und Sohn oder Bruder) und brachten ihm die bestellten Tragl für seine Stammkunden.

Da war der Kameter, unser Hausmetzger mit der Seemanns-Tätowierung, der Lang von Siegertshofen, der ziemlich rund und mollig war, und der Mannert, dürr wie ein Zwetschgenmännchen, und oft noch der Reisig, bei dem die Gewohnheit weit über das Maß ging.  So ein Bierverkauf dauerte mindestens 38 Minuten im Durchschnitt. Speziell wenn daraus ein Kartenspiel wurde. Ich durfte auch manchmal mit den alten Herren Watten, aber nur wenn ein Spieler zu wenig war.

Und einmal im Jahr gab es Genossenschaftsessen im Reutberg. Da hat mich mein Großvater eines schönen Tages mitgenommen. Aber ich kotzte leider ganz spontan, weil sich die Essiggurken mit der Cola überhaupt nicht vertrugen. Hätte ich nur ein Dunkles getrunken. Aber mit zehn denkt man halt nicht so weit. Ich weiß nicht mehr, ob mich der Großvater noch ein zweites Mal mitgenommen hat.

Klassentreffen im Reutberger Biergarten

Klassentreffen im Reutberger Biergarten

Natürlich sind diese alten Zeiten schon längst dabei. Aber ich dachte, dafür dass ich so vielen alten Männern zugehorcht und mit ihnen Karten gespielt hatte, sollte ich mir das schöne alte Emaille-Schild von Opas Reutberger Bierdepot schon verdient haben. Meine Mutter brachte es mir bei einem Besuch nach Arizona mit.

Und jetzt im Jahr 2013? Nix mehr mit Münchner im Himmel. Hacker Pschorr, auch nicht schlecht, gibt es öfters mal, aber selten einen so feinen MicroBrew wie das Reutberger „Dankel“. Aber ich geb’ ja nicht so schnell auf.

Schreibe ich gleich an die Webadresse von dem amerikanischen Distributor vom Flascherletikett. Sofort schreibt mir ein freundlicher Herr eine Mail zurück, wo genau er das Reutberger Bier in Arizona herumschickt. Und wenn ich nicht erfolgreich sei, dann könnte ich ihn auch gerne mal antelefonieren.

Der Total Wine auf der Williams Field Road in Gilbert sollte mein Reutberger Dunkel haben. Da rufe ich an, und sie schauen äußerst hilfsbereit auf ihrem Computer nach. Sonst schon, aber heute nicht, sagen sie klagend. Aber der Store in Phoenix auf der Camelback Road hätte noch einen Karton voll.

Merry Christmas from Cactus Nick

Merry Christmas from Cactus Nick

Gleich beim Laden angeklingelt. Ja, genau, sie hätten da noch einiges vom Reutberger Bier. Hallelujah, für die Feiertage!

Also ziehe ich sofort mit dem Mapquest auf 36 Meilen unbekanntes Gelände. Nach ein paar Fehlabbiegungen stehe ich endlich vor dem Geschäft (oder Warenlager?). Der Laden—Total Wine (&Beer), das stimmte total–hatte einfach alles! Sogar Apfelkorn und blauen Tequilla, chinesisches Bier, thailändische Barbecue Anzünder, Weine um die 100 Dollar pro Flasche bis unter das Hallendach—dass wir Menschen so viel saufen?—und auch das Reutberger.

Aber, das ist doch ein Helles! Gleich rufe ich nach dem schwarz gekleideten jungen Mann mit den großen Löchern in den Ohren. Er bemüht sich sehr freundlich und riskiert offensichtlich für mich Kopf und Kragen, weil er mit seiner Schiebeleiter auf das höchste Regal klettert. Aber da oben ist auch nichts mehr zu finden.

Nur ein einziges Flascherl Reutberger Dunkel taucht hinter den Hellen versteckt letztendlich doch noch auf. Das war’s! Das “Dankel” ist etwas ganz Besonderes. Bestimmt hatte schon ein anderer Liebhaber die Flasche so versteckt, dass sie nur für ihn allein noch zu finden war.

Die edle Gelegenheit mein Dunkles zu genießen muss ich mir erst noch ausdenken. Denn dabei will ich mich im Himmels-Willen nicht vertun. Es wäre schad, wenn es den Zweck verfehlte. Mit dem Benzin eingerechnet kommt mir dieses eine Fläschchen Bier teuer zu stehen, etwa 20 Dollar. Aber das war es mir wert.

Also, wenn du mich besuchen willst, dann weißt du eh schon, was du mir mitbringen kannst. Na dann Prost! Und Reutberg sei Dank!

Mein Großvater hat in vielen Facetten die dominante Rolle des Jakobs in meinem Roman „Der Keltenschimmel“ beeinflusst. Ich verdanke ihm ganz viele bunte Eindrücke meiner Kinderzeit, die originalgetreu aus dem bäuerlichen Leben gegriffen sind.

KeltCoverWP

REUTBERGER KLOSTERBIER

DER KELTENSCHIMMEL

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