Tonspuren, Gedichte von Gisela Baudy, ist ein lyrischer Zirkel in zehn Stimmungsbildern des Sich-Suchens, Überwindens, Heimat-findens. Foto-Illustrationen von Chris Baudy und Gisela Baudy.
Tonspuren, bedenke: Der Weg ist das Ziel.
Lebensreise
Werden
der du warst
bevor die Flügel brachen.
Werden
der du bist
trotz Flügelbruch.
Das Leben bringt jedermann(frau) Abstürze und Flügelbrüche. Aber daran kann man arbeiten: „Der vorliegende Gedichtzyklus will allen Traumatisierten Mut machen”, schreibt die Autorin.
Aus Tonspuren spricht die persönliche Geschichte der Erzählerin mit zwei Identitäten (Reflektion= Spiegelbild und Original). Die Charaktere im Dialog heißen Clarissa und Alaine (alleine? ihr Alter-Ego).
Wieso der Titel Tonspuren?
Weil alle schrägen, dunklen, hellen Töne des Lebens auf jeweils eine Tonspur gesetzt werden, wie eine Symphonie der Seele. Manchmal aufrührend, manchmal träumerisch, in allen Gefühlslagen. Mit Tönen und Klängen gehen wir auf die lyrische Reise, wo sogar die Stille klingt.
„In uns allen leben Töne aus Worten und Bildern, die unsere Sehnsucht nach einem Zuhause zum Klingen bringen. Es sind stille Klänge aus Erde und Vogelflug.“
Haste Töne, los geht’s. Tonspuren führen uns auf eine lyrisch-literarische Reise mit erlebten Stationen. Jeder Mensch kennt die Knackpunkte und Neugeburten im Laufe des Lebens. Aber die Absicht der Autorin ist übergreifend. Nicht nur die persönliche Heimat wird durchwandert, sondern auch das Menschengedenken und Menschlichkeit gegen den Überdruss der Gleichgültigkeit, Bosheit und der Erderwärmung. Die Tonspuren suchen Auswege aus verschiedensten Krisen. (Wenn nur jeder aufwachen würde.)
ZUM BEISPIEL: Die Wende einer Beziehung
Brandstätte
Was hast du erwartet?
fragte er die Liebende
und kehrte den Rücken.
Flog zurück in ein Land
das er nie als seine Heimat
bezeichnet hatte.
Die Liebende blieb stumm zurück.
Jahre vergingen.
Die Brandstätte blieb.
Was sie erwartet hatte
war einfach:
dass er die Frage nie gestellt hätte.
Wer liebt
erwartet nichts.
Er liebt.
Eigentlich sind lyrische Betrachtungen nicht so sehr „mein Bier“. Poetische Prosa dagegen hat aber immer eine Anzugskraft auch mich gehabt. Von daher konnte ich Gisela Baudys Tonspuren und so manche Scherben wertschätzen. Der Autorin Wortwendungen sind tiefgründig und spitzfindig zur selben Zeit. An den kurzen Einsichten ist keine Silbe zu viel. Mit Oxymorons und Synästhesie bringt sie die Stille zum Klingen. Deshalb wollte ich mich dieser Besinnungsreise überlassen und auch einmal in mich hineinhorchen. Jeder hat in sich Dissonanzen, die entstehen wenn die Erwartungen von der Realität eingeholt werden.
In Stücke
Ich zerschneide
meine Tränen
in Stücke Papier
und werfe sie zum Abfall
meiner Träume.
Gisela Baudys Tonspuren Zyklus ist nicht zum schnell Leben oder schnell Lesen gedacht. Auch wenn man eine Betrachtung zum fünften Mal zu sich nimmt, entdeckt man wieder neue Facetten. Diese Lebensreise ist extrahiert von sehr persönlichen Erfahrungen und will jedem Mut machen, wieder Kind zu werden. Außerdem: um an sich selber zu arbeiten, braucht man nicht unbedingt einen Therapeuten.
V
Doktor
Sie müssen
sich nicht beeilen.
Wirklich nicht.
Ich sterbe
auch so.
Das sitzt. Die Grenzen der ärztlichen Kunst und Motivation. Vielleicht braucht man einen anderen Doktor als den mit dem Stethoskop. Einer, der auch ohne Hörgerät die Tonsplitter wieder richtet. Die Seele repariert.
Aber ganz so schwarz muss man nicht sehen. Man kann sich wieder finden:
Gewissheit Erde
Dem Flüchtigen
Konturen geben
im Wort.
Dem Wort
die Gewissheit
der Erde geben.
Den Alltag vertagen.
Hell werden.
Werden.
So ist vielleicht das Ankommen bei sich selber, sobald dem Kindlein Flügel wachsen, sobald es verloren gegangen ist. In diesem Sinne sind wir alle auf bestimmte Tonspuren geeicht. Die Hoffnung liegt im Licht.
Die Ton- und Wortmalereien haben einen Sinn: die innere Heimat in sich zu finden. Aber nicht nur für den Einzelfall (ego), sondern als Nachhaltigkeit (Sustainability) für uns alle.
Der erste Schritt
Der erste Schritt
die Sonne
in sich einzulassen
ist auf alten Wunden
und Sehnsüchten
nicht zu bestehen.
Wunderschön. In einer kleinen Rezension kann man mit dem kunstfertigen Wortspiel (vielleicht ist es kein Spiel) nicht konkurrieren. Jeder muss es selber erlesen. Was mir am besten gefallen hat, waren die Schattierungen des schwarzen Humors. Und das folgende Mantra in der Einleitung:
„In diesem Sinne sind wir alle Kinder der Erde. Es ist das Kind in uns, das dem Nachbarn die Hand reicht und die Erde für alle bewohnbar macht. Wir müssen es nur suchen wollen.“
Und dazu eine Lesung im Hamburger Raum:
Am 21. März 2017 liest Gisela Baudy (2. Reihe, 1. von links) ihre Gedichte bei einer bei einer Gemeinschaftslesung in Hamburg-Heimfeld (Kulturverein“Alles wird schön”, Friedrich-Naumannstraße 17, 21075 Hamburg) bei der Suedlese-Aktion der Künstlervereinigung Südkultur. Die Lesung ist der Auftakt der Literaturtage, die vom 20. März bis zum 14. April 2017 in ganz Hamburg-Harburg stattfinden.
Buch Bestellungen:
Gisela Baudy, Tonspuren – Lyrisches Tagebuch, Verlag Stimme fürs Leben e.U., Wien 2016, 188 Seiten mit zahlreichen Fotos von Chris und Gisela Baudy. ISBN 978-3-903032-08-8. Verkaufspreis 19,90 Euro.
Bestellungen bei Stimme fürs Leben.
ODER bei Amazon oder die kostenlose Hotline der Buchhandlung Osiander 0800-9201-300.